2007/11/13

what a weekend!

Puh, was für ein Wochenende. Es scheint, Dan und ich haben jeder seinen Kopf samt Gedanken irgendwo liegen lassen, denn eins nach dem anderen wurde von mir verschludert, von uns vergessen. Der dicke Hammer kam schließlich heute früh nach dem Abgeben des Huyndais beim EggMcMuffin-Frühstück: Dan muss heute nachmittag seine Geschichts-Hausarbeit abgeben...
Aber erst mal der langen, langen Reihe nach.
Wie bereits kurz berichtet (und auch schon kommentiert - freu!), sind wir am Freitag irgendwann im Dunklen in Victoria angekommen. Kurz noch zur Fährfahrt: die war toll, wenn leider auch die Aussicht nicht mehr so brilliant war (dunkel). Das Schiff schaukelte kaum, ich war fast die ganze Zeit draußen und habe den Lichtern auf den kleinen Inseln, die wir umrundeten, nachgehangen. Dan arbeitete fleißig an seinem Virgil-Essay, den ich schon zumindest im Grundgerüst fertig hatte. Mit der Weiterfahrt nach Victoria erreichten wir übrigens das westliche Ende Kanadas - zumindest das westliche Ende des Highways Nummer 1, der ja bekanntlich einmal waagerecht durchs Land geht. In Victoria angekommen, hatte der Regen sich inzwischen entschieden, auf dem Festland zu bleiben und so machten wir einen ausgiebigen Spaziergang durch die wunderschöne Stadt. Unser Ziel, einen Geldautomaten zu finden, der uns mehr als 600 Dollar ausspuckt (weil wir bis 800 Euro die Mindestgebühr von 4 Euro zahlen, lohnt sich weniger nicht), haben wir zwar nicht erreicht, aber dafür öffente sich eine bestaunenswerte Ecke nach der nächsten. Skurril war die Beleuchtung des Parlamentgebäudes, das mehr an Disneyland erinnerte, weil eine Lichterkette um den gesamten Umriss gelegt war. Davor die stille Hafenkulisse mit Booten kleiner Größenordnungen bis zu einer riesigen Yacht. Ein paar (riesige!) Möwen dazu, ein laues Lüftchen - ach wie idyllisch! Allzu groß ist die Innenstadt aber zum Glück nicht, sodass wir schon an diesem Abend eigentlich alles Wichtige und Nette zumindest bei Nacht gesehen hatten, auch den größten Teil der viktorianischen Häuser und der Bummelmeilen. Spät spät abends fielen wir dann todmüde ins Hostel-Bett, um am nächsten Morgen bereits kurz nach sieben die Bettdecke wieder von uns zu werfen.
Eigentlich hatten wir die folgenden Stunden etwas straffer geplant, aber es kam erstens dazwischen, dass wir noch immer kein Bargeld hatten (was momentan problematisch ist, weil unsere Visakarten nicht immer zu funktionieren scheinen), zweitens fiel mir irgendwann auf, dass mein besseres Kameraakku nicht mehr da war. Also zurück zum Hostel, dass sich übrigens in einem sehr netten und für kanadische Verhältnisse auch alten Gebäude befand. Leider blieb jegliche Suche in Zimmer, Betten und sich schon in der Waschmaschine befindender Wäsche ebenso erfolglos wie die in allen unseren Taschen. Ein wenig betrübt, aber nicht gewillt, den Tag damit zu verderben, machten wir uns dann erst gegen zehn auf kostengünstige Parkplatzsuche und starteten unsere Tagesentdeckungstour durch die Hauptstadt, nun von der anderen Seite der Hafenbucht aus. Auch ein besonders leckeres Frühstück in einem französischen Café gab es. Ich aß wieder einmal Buttermilch-Pancakes und diesmal war der angebliche Ahornsirup wirklich einer, ungemischt mit anderen Zuckersirups. Sehr, sehr lecker. Und dazu gab es warme Beerenfrüchte. Ein Abstecher in den Market Square, der mich sehr an Covent Garden in London erinnerte, bescherte uns dann sogar einen sich gerade in Bearbeitung befindenden Totempfahl und einen kurzen Chat mit dem Künstler. Beeindruckend! Und wie aromatisch das Zedernholz roch, aus dem der totem pole bestand. Mmmh. Nache iner kurzen Pause wegen einer Regenhusche ging es dann weiter ins kleine, aber feine Chinatown. Sogar die Telefonhäuschen und die Papierkörbe, sogar die Straßenschilder waren auf China eingestellt. Alles sehr toll und vor allem rot :). Durch weitere schöne Straßen mit meist bunten Häusern im viktorianischen Stil und ab und zu überholt von roten Doppeldeckerbussen (ja, so britisch ist es hier!) schlängelten wir uns dann zurück zum Parlament, das am Tage weniger nach Disney als viel mehr nach eben einem imposantem Parlamentsgebäude aussah. Ich wollte gerne hinein gehen, um die Deckenmalereien anzusehen, um die es gerade viele Diskussionen gibt, weil sie First Nations zeigen, wie sie helfen die Stadt zu bauen, aber die Frauen etwa darauf sind alle nackt, was jetzt als Diskriminierung angesehen wird, weil diese so zu reinen Sexobjekten gemacht werden. Oder so. Jedenfalls, wie gesagt, blieb mir das leider verwehrt, denn aus lauter Ehrung für die Veteranen war es an diesem Remembrance-Day-Wochenende geschlossen. So machten wir uns auf in den Thunderbird Park und ja, das hört sich nach Totempfählen an. Es gab dort neben dem traditionellen Kwakwaka'wakw "big house" etwa 10 riesige ältere und neuere Totempfähle zu bewundern und gleich um die Ecke befand sich das älteste Haus von Victoria und ganz BC, das 1852 errichtet wurde, aber nach und nach Anbauten bekam. Auch eine "alte" Schule gab es, natürlich mit separatem Eingang für Jungs und Mädels.
Schließlich krönten wir unseren Tag in Victoria mit einem Besuch des Royal British Columbia Museums, in dem es eine Etage gab, die der Entstehung und Natur BCs gewidmet war sowie Darstellungen der Zukunft bei Klimaerwärmung. Dort stand sogar ein Mammut rum. Und man durfte zumindest hier knipsen. Inzwischen hatte ich mir auch einen neuen Akku zugelegt, der sich während unseres Rundgangs bei der Info zum Laden befand. Das obere Geschoss jedenfalls beherbergte zwei Ausstellungen: zunächst bewältigten wir eine Reise in die Vergangenheit der Stadt und der Province. Es gab Nachbauten alter Häuser, in die man hinein gehen konnte und die natürlich voll ausgestattet waren, es gab ein altes Auto dazu, einen Stummfilm, verschiedene Utensilien der Zeit wie Kleidung oder Spielzeuge (Miss Piggy!), es gab eine Reise in die Goldminen, in eine Lachsverarbeitungsfabrik, eine Mühle, die Wasser zum Goldwaschen auf ein Fließband schaufelte, gab es und schließlich sogar die Discovery, mit der George Vancouver in Nootka Sound (im Norwesten von Vancouver Island) 1792 anlegte. Alles sehr beeindruckend und geschichtsträchtig. Eigentlich schon völlig erschlagen und inzwischen sehr fußlahm wollten wir dennoch nicht die hoch gelobte Ausstellung zu BCs Natives auslassen und so ging es auch noch in den dritten Teil des Museums; in dem war das Fotografieren jedoch leider verboten. Ich muss sagen, unser Entschluss hat sich dennoch sehr gelohnt, denn hier befindet sich die Sammlung all der alten (und neueren) Masken, die bei den traditionellen Riten getragen wurden, von den Siedlern und auch später zu den Zeiten der Reservate etc. von den First Nations entwendet wurden und nun schließlich ihren Stämmen zurückgegeben werden konnten, von welchen sie zum Teil nun dem Museum zur Verfügung gestellt werden. Außerdem gab es noch viel beeindruckende Kleidung, Kanus usw. als im Kamloopser Museum sowie auch alte Waffen und einen Nachbau von diesen Hütten, die wir ja schon kannten. Was wir auch lernten ist, dass den Raben die Welt gehört und wir uns bitteschön zusammenreißen sollen, auf ihr so viel Unfug zu machen.
Gegen halb fünf, gerade noch in der beginnenden Dämmerung, steuerten wir schließlich auf Tofino zu, unser Ziel im Westen der Insel, gelegen zwischen Regenwald und Pazifik. Dass wir das an diesem Tag nicht mehr erreichen würden, war gewiss, denn im Hostel prophezeite man uns eine Fahrt von mindestens 5einhalb Stunden. Auch war das Hostel dort bereits ausgebucht - wir hatten telefonisch reservieren wollen, aber das wurde dann nichts. Also fuhren wir so weit uns Auto und Wachheitsgrad tragen konnten, was dann Port Alberni war. Dieses Örtchen ist sehr witzig, denn es liegt mitten im Land, aber trotzdem im Pazifik. Die Westküste besteht nämlich mehr so aus Fjorden und ein langer Arm des Pazifiks reicht eben weit in die Insel hinein. Das nutzte man natürlich aus und siedelte dort eine kleine Hafenstadt an. Im Dunkeln und inzwischen auch schon seit langem wieder im Regen machte sie allerdings nicht viel her und das im Lonely Planet beschriebene Gasthaus hatte die Saison schon beendet, wie auch die meisten anderen erschwinglichen Vorschläge unseres sonst so vertrauenswürdigen Reiseführers. Da aber mein tapferer Chauffeur Dan furchtbar müde war und ein weiterer langer Tag vor uns lag, kam im Auto zu schlafen nicht so recht in Frage und schließlich übernachteten wir in einem nicht ganz billigen Motel für 85 Dollar. Das war allerdings bis auf eine fehlende Küche herrlich und mit unserer bisherigen Motelerfahrung nicht zu vergleichen. Ich nahm dann vor lauter Freude über die anwesende Wanne auch gleich ein Bad und nach einem knappen Abendessen mit Brot und einer Dose Fisch sowie ein wenig Fernsehen schliefen wir selig ein. Der nächste Morgen begann wieder früh und mit einem erneuten Verlust, den wir erst am Abend bemerkten: unsere (oder viel mehr Genevieves) Tupperdose befand sich noch im Kühlschrank mit samt unseres großen, leckeren Stückes Käse darin. Sehr ärgerlich. Als wir am Sonntag auf der Rückfahrt noch einmal am Motel anhielten und nachfragten, hatte es leider niemand gesehen und es war auch nicht mehr da, wo wir es gelassen hatten.
Jedenfalls fuhren wir guter Laune durch Niesel weiter nach Westen und am Pazifik angekommen wurde erst einmal in Ucluelet gefrühstückt. Dabei lief uns eine Reihe Fahnenträger mit Mounties und Veteranen über den Weg, die schnurstracks in die Kirche stiefelten, denn es war ja Sonntag und Remembrance Day. Leider hatte aus eben gleichem Grunde aber auch kaum Geschäfte oder potentielle Nahrungsspender offen, aber im Blueberries Café fanden wir ein gemütliches Plätzchen und ich erhielt Blaubeer-Buttermilch-Pfannkuchen. Sehr lecker und voller Früchte im Teig. Außerdem konnten wir hier eine Frühstücksportion Marmeladen- und Erdnussbutterpäckchen abfassen, die uns am nächsten Morgen sehr gelegen kommen sollte.
Frisch gestärkt wurde weiter Tofino angepeilt, allerdings mit zahlreichen Zwischenstopps, denn schließlich wollten wir ja hauptsächlich die Gegend tatsächlich sehen, nicht das Auto oder die Scheibe. Erster Halt war am Wickaninnish Beach, der uns einen prächtigen Blick auf den Ozean gewehrte, wenn wir auch von oben sehr nass wurden. Den neoprenbeanzugten Surfern machte der Regen dagegen überhaupt nichts aus - in Massen versuchten sie sich an den hohen Wellen und scheiterten (zumindest so lange wie wir am Strand waren). Der nächste Wanderweg führte uns durch einen Brokkoliwald - nicht lachen, die Landschaft heißt wirklich so. Die Bäume sehen nämlich alle aus wie riesige Brokkoliröschen. Wirklich Faszinierend. Leider konnten wir die fleischfressenden Pflanzen, von denen unser in Port Alberni gefundener Inselführer schrieb, nicht ausfindig machen und das kleine Begleitheftchen, das es am Anfang des Weges gab, war innerhalb von Sekunden durchgeweicht, sodass wir auch nicht wussten, wonach wir suchen müssen. Meine Kamera übrigens war provisorisch in einer Plastetüte gewickelt, ein Loch für den Sucher, eins fürs Objektiv, ohne Ahnung, wie das Bild ausschaut und mit plötzlichem Aufgeben des neuen, angeblich vollen Akkus.
Erschwerten Bedingungen zum Trotz, entschieden wir uns natürlich auch noch für eine weitere Wanderung, diesmal durch den Regenwald. Jetzt wisst ihr auch: Da wo die beiden waren regnet es scheinbar immer, sonst gäbe es schließlich keinen Regenwald. Eben das dachten wir uns auch, und daher ließen wir uns ja auch gar nicht weiter vom Nass stören. Immer wieder das jeweils leere Akku im Schutze meiner selbst und meiner Kaputze wechselnd und hoffend, dass sich das jeweilig andere vom Kälteschock draußen in der warmen Tasche erholt, konnte ich sogar einige Fotos von hier schießen. Es war jedenfalls ein unvergessliches Erlebnis - all die riesigen Bäume mit den gigantische Flächen bedeckenden Moosen am Stamm, all die Farne und vor allem das Grün! Unglaublich. Einfach nur toll. Ihr dürft euch hier allerdings keinen tropischen Regenwald vorstellen. So warm ist es hier nun auch nicht, es ist eine Art "gemäßigter Regenwald" oder so. Mit Raben. Natürlich. Dumm war leider, dass durch Moose und Regen der Weg recht rutschig war an einigen Stellen und nichts Böses ahnend sah ich plötzlich den armen Dan mitten im Wald auf dem Boden liegen. Der war zum Glück weich und auch sauber gewaschen, aber Dan hatte sich an den Hölzern des Pfades verletzt und humpelte den Weg zurück. Aber der Schmerz legte sich scheinbar relativ schnell, sodass er darauf bestand, auch weiter unsere babyblaue Kutsche zu fahren. Die übrigens abgefahrene Reifen hatte und deren Seitenfenster sich nicht per Scheiberunterfahren reinigen ließen, was fürs Fotografieren natürlich sehr ärgerlich war.
Am frühen Nachmittag erreichten wir dann Tofino - und mussten feststellen, dass alle halbwegs günstigen Herbergen in der Stadt absolut randvoll waren oder nur noch ein Bett hatten, dass sie uns nicht (da wir ja zwei waren) geben wollten. Nach langer Sucherei fanden wir dann ein Motel für 70 Dollar die Nacht. Immerhin. Problem war ja auch, dass wir völlig durchnässt waren und froren und also wieder auf jeden Fall eine Art Zimmer brauchten. Am besten mit Küchenopportunity irgendwo, denn wir hatten ja noch lauter Dosen am Start. Unser Motelzimmer hatte dann auch eine Mikrowelle, allerdings keinerlei Besteck und auch keinen Dosenöffner. Wir hatten all das auch nicht mitgenommen, da wir es das letzte Mal nicht gebraucht hatten. Es ging also eine Odyssee um das Abendessen los; niemand hatte einen Dosenöffner und bei dem einzigen, den es zu kaufen gab, zweifelten wir den Nutzwert an. Alternative: Essen gehen oder Imbiss. In Tofino, beliebtes Örtchen direkt am Pazifik, Startpunkt für tausenderlei Touri-Ausflüge und Hauptstadt des Whale-Watchings, gab es aber natürlich keine Imbisse oder ähnliches, nur teure Restaurants. Als wir schließlich, seit dem Frühstück ohne Nahrung, entschlossen hatten, unsere Motelgaststätte zu beehren und auch schon saßen, ein Bier bestellt hatten, sagte uns die Bedienung dann, das es heute nur Büffet gebe, für 40$ pro Person. Das war uns dann doch zu viel und wir besorgten uns den fragwürdigen 2-Dollar-Dosenöffner sowie Besteck im Kramladen, schafften es tatsächlich unsere Ravioli, Dans Spinatsuppe und meine Nudel-Tomatensuppe zu öffenen und verschlangen schließlich drei ganze Dosenmahlzeiten. Derweil versuchten wir, unsere Klamotten zu trocknen - besonders mein Mantel hatte bei der abendlichen Rumstreunerei viele kg an Wasser zugelegt und zweifelnd, ob er jemals wieder trocknen würde knipsten wir das Licht aus. Das heißt, ich schrieb noch an meinem am Dienstag (also heute) abzugebenden Essay weiter bis er nur noch einen Korrekturschliff von Dan brauchte, die er am nächsten Tag dann während unserer ewig langen Fährwarterei auch erhielt. Aber ich greife vor.
Den Montag lasse ich für Dan übrig und damit bleibt mir nur noch ein Schlussstatement: ein sehr anstrengendes, verlustreiches, nasses aber auch spannendes, erlebnisvolles und schönes Wochenende auf einer atemberaubenden Insel war es! Obwohl wir gar nicht alles sehen konnten, was wir uns eigentlich vorgenommen hatten. (Und wann erhole ich mich jetzt?)

Tag 1: über Vancouver zur Insel

Tag 2: in Victoria

Tag 3: von Port Alberni über Ucluelet, Pazifik und Regenwald nach Tofino

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