2007/10/17

kleine Depriphase

Mmpf.

Sitze hier gerade am Küchentisch, vor mir zwei Gedichte, in mir nur Leere und Ablehnung. Dan hockt im Keller, wahrscheinlich mit gleichen Gedanken. Ziel für heute: vergleichenden Gedichtessay schreiben.
Problem: die gestern und vorgestern zurückbekommenen Essays der vorletzten Woche. Darin: lauter Komma- und Grammatikfehler, zumindest bei mir.
Zweites Problem: Essays werden hier nicht nach ihrem Inhalt bewertet, sondern danach, ob sie in ein vorgefertigtes Schema passen, das uns bisher nicht klar war. Form, Rechtschreibung, Grammatik, Ausdruck, Vokabelreichtum werten 50% der Note. Form meint, sich an MLA-Vorgaben zu halten. Minutiös. Wer auch nur vergisst, das ursprüngliche Veröffentlichungsdatum in die Literaturliste zu schreiben, hat versagt. Noch mehr, wer statt "Works Cited" "References" schreibt. Und wer unaufgefordert ein Deckblatt abliefert, das er dann auch noch in die Seitennummerierung mit einschließt (also dann mit Seite 2 beginnt), kann gleich einpacken.
Problem Nummer 3: der mit den restlichen 50% einfließende Inhalt meint nicht den tatsächlichen Inhalt. Er meint den Aufbau. Auch der hat muss in ein Schema pressbar sein. Vergleiche haben wie Ping Pong abzulaufen. Nicht erst Text eins und dann Text zwei in Bezug zu Text eins. Das ist falsch. Punktabzüge in Massen. Außerdem wichtig: einleitende Worte, Überleitungen, in jedem Absatz explizite, nicht implizite!, Rückverweise auf die These. Inspirierender Titel der Arbeit. Nicht etwa nur auf die Aufgabenstellung antworten mit "Vergleich von A mit B bezüglich Faktor C". Was auch zählt: Treffende Einteilung in Absätze. Balance zwischen Thesen und Beweisen, effektiver Einsatz von Zitaten. Insgesamt neun Punkte. Wer die erfüllt, bekommt die 50%. Wer sich vor allem auf den inhaltlichen Inhalt (...) konzentriert und davon ausgeht, für intelligente Leser zu schreiben, denen nicht in jedem Satz ein Zaunpfahl vor die Nase gehalten werden muss, geht leer aus.
Verdammte Scholastik. Ich hoffe, ich habe nur die falsche Uni erwischt. Wenn das ganze Bildungssystem hier so ist, halte ich nichts davon. All diese Dinge sollten in der Schule erledigt worden sein; Uni ist für Inhalte da. Kommafehler korrigiert dann später der Hiwi. Seitenzahlen, Literaturliste, Deckblätter (oder eben nicht) gestaltet der Setzer. Ich weiß, wovon ich rede, denn ich bin einer. Außerdem hat jede wissenschaftliche Zeitschrift, hat jeder Verlag seine eigenen Vorgaben. Und in MLA habe ich bisher nichts gesehen, denn was danach gesetzt wird, sieht unästhetisch aus. Das will niemand lesen.
Habe ich einen Kulturschock? Vielleicht. Aber vor allem bin ich enttäuscht von dem Kontinent aller Möglichkeiten. Wegen des sturen, engstirnigen Festhaltens an Äußerlichkeiten und des geringen inhaltlichen Niveaus, das hier verlangt, vorausgesetzt und auch nur verstanden wird.

Danke fürs Zuhören.

1 Kommentar:

Briareus hat gesagt…

Ich kann dir das voll nachempfinden. Als ich für meinen TOEFL-Test gelernt hab, war das auch ein wichtiger Teil der Lektionen. Es gab irgendwie drei verschiedene Aufbauten, die man können musste und das wichtigste waren die Gliederung und die Bindewörter bzw. entsprechende Redewendungen. Fand das auch ziemlich schwer, mich da rein zu fuchsen. Die Punkte waren dann auch entsprechend... :-(